Die „Lebenszeit“ ist das kostbarste Gut eines jeden Menschen. Sie ist nicht beliebig vermehrbar. Seine eigne persönliche Lebenszeit muss zunächst jeder einzelne Mensch für sich selbst ausbalancieren. Voraussetzung für eine ausgewogene Work-Life-Balance sind geeignete Rahmenbedingen. Diese werden allerdings durch die Politik entscheidend mitbestimmt. Vor dem Corona-Lockdown wurde diese Herausforderung viel zu wenig beachtet. In der sozialen Isolation zeigte sich jedoch, wie wichtig diese Aufgabe ist.
Unser Staat wird zu einem erheblichen Teil durch Steuern und Abgaben aus der Erwerbsarbeit finanziert. Im Gegensatz dazu wurde Kinder- und Sorgearbeit bislang nahezu selbstverständlich unbezahlt erbracht. Dieser Teil von Arbeit bleibt nach wie vor im Bruttosozialprodukt unberücksichtigt. Dieser gesellschaftliche Konsens hat über eine lange Zeit auch sehr gut funktioniert. Durch große Bewegungen im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels verschiebt sich derzeit das lange Zeit wohl austarierter Gleichgewicht zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. Als eine Auswirkung der Corona-Pandemie wurden diese gesellschaftlichen Bewegungen wie unter einem Brennglas sichtbar.
Das ausbalancierte Gleichgewicht verschiebt sich immer stärker zulasten der Schwächeren und derjenigen, die schon vor Coronazeiten benachteiligt waren. Benachteiligungen zeigen sich vor allem für Familien, Mütter, Kinder und die älteren Menschen, die nur noch mit ständiger Unterstützung selbstständig leben können. Eine wichtige Steuerungsaufgabe obliegt der Politik. Sie muss diese Veränderungen erkennen und wieder ins Gleichgewicht bringen. Die damit verbundene Herausforderungen zeigen sich zurzeit erst ansatzweise.
Unbezahlte Arbeit wird immer mehr zur dritten Säule der Arbeit. Sie ist für das Gemeinwohl unverzichtbar. Zurzeit unterliegt sie keiner Kontrolle und insbesondere keinen allgemeinverbindlichen Regeln und Normen. Je mehr unbezahlte Arbeit vom Gemeinwohl eingefordert wird, um so dringender müssen klare Reglementierungen und eine gerechte Verteilung vom Gesetzgeber eingefordert werden. Das wirft die Frage auf, wie ist es langfristig möglich, die notwendig unbezahlte Arbeit gerecht zwischen den normativen gesellschaftlichen Gruppen zu verteilen. Zu den relevanten Gruppen gehören in diesem Sinn zum Beispiel:
• Kinder erziehende Menschen,
• ältere Angehörige pflegende Menschen,
• doppelt erwerbstätige Menschen
• verheiratete Familienangehörige, die keine Kinder und Sorgeraufgaben übernehmen.
Fazit und Appell
Lebenszeit ist nicht frei gestaltbar. Daraus resultieren folgende Leitsätze:
- Ein großer Teil der Lebenszeit wird zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts benötigt. In der Regel geschieht das über die Erwerbsarbeit.
- Menschen, die sich für Kinder entschieden haben, brauchen einen nennenswerten Anteil ihrer Lebenszeit für die Erziehungs- und Sorgearbeit der nachfolgenden Generation.
- Jeder Mensch hat auch Eltern, die ihm selber den Start ins Leben ermöglicht haben. In einer alternden Gesellschaft wird die Anzahl der Personen, die aufgrund ihres fortschreitenden Lebensalters auf immer mehr Unterstützung angewiesen sind, zunehmend größer. Deshalb fließt wichtiger Teil der Lebenszeit in Care- und Sorgearbeit.
- Notwendig ist die Erarbeitung von verbindlichen Normen für unbezahltes bürgerschaftlichen Engagement und seine gerechte Verteilung unter Lebenszeit-Aspekten.
- Klare Zuweisungen sind erforderlich, um die Lebenszeit gerecht auf jede der drei Säulen der Arbeit – Erwerbsarbeit, Carearbeit und unbezahltes bürgerschaftlichen Engagement- zu verteilen.
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