Mütter in der Coronakrise

Statt zu festen Zeiten brav am festen Ort zu sein, saßen Frauen in den vergangenen Wochen zu Hause am Küchentisch, klappten im Schlafzimmer einen Laptop auf oder kauerten zusammen mit ihren Kindern und einem Stapel Unterlagen vor ihrem Sofa. Durch die Coronakrise zeigte sich, dass Benachteiligungen, die bereits vor der sozialen Distanzierung bestanden durch den Lockdown deutlich verstärkt wurden. Frauen und hier ganz besonders die Mütter waren völlig unvorbereitet und wurden am stärksten erwischt.

Gewaltiger Wandel in der Arbeitswelt
Zweifellos haben kinderlose Frauen Karriereoptionen, die denen der Männer sehr ähnlich sind. Männer arbeiten immer noch überwiegend berufszentriert, Frauen häufiger familienzentriert. Die Pandemie zwang Millionen Frauen und Männer zum Arbeiten von zu Hause aus. Aus dieser Not wurde ein Modell, an dem viele Unternehmen auch in Zukunft festhalten wollen. Die Arbeitswelt steht vor einem gewaltigen Wandel. Das Berufsleben für Millionen Beschäftigte – vor allem in Büros – könnte sich fundamental ändern. Die Herausforderung ist, wie es gelingen kann, nach Corona die Arbeitsbiographien für Frauen und Männer gleichermaßen auf möglichst viele unterschiedliche Lebensentwürfe auszurichten.

Mütter am Rande ihrer Leistungsfähigkeit

Mütter haben gleichzeitig Erwerbsarbeit, Erziehung, Betreuung, Beschulung und Pflege gestemmt.

Strukturelle Benachteiligung der Mütter
Ein nennenswerter Teil der Mütter verabschiedete sich vor dem Lockdown aus dem Erwerbsleben ganz oder zeitweise, nachdem das erste Kind geboren wurde. Selbst gut ausgebildeten Fachfrauen gelang es oft nur mit großen Schwierigkeiten, nach einer Familienpause in ihrer Karriere dort wieder anzuknüpfen, wo sie vor der Geburt ihres ersten Kindes standen. Familien – Frauen wurden eher schleppend unterstützt. Mütter erhielten selbst nach einer abgeschlossenen Familienphase nicht immer eine echte Chance, an ihrem angestammten Arbeitsplatz wieder tätig zu sein oder sie gingen freiwillig auf Teilzeitpositionen. Neueinstellungen von Muttern waren auf anspruchsvollen Arbeitsplätzen eher selten.

Ein ähnliches Bild zeigte sich auch für berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Häufig wurden gut ausgebildeten Frauen bei Wiedereintritt in den Beruf nach einer Kinderpause Tätigkeitsfelder ohne Führung- und Leitungskompetenz angeboten. Die Soft – Skills, die Frauen in einer Familienphase erwarben, blieben zu häufig im beruflichen Kontext unberücksichtigt. Diese Ursachen für Equal-Pay und Equal-Care werden zwar seit Langem diskutiert, sind aber immer noch nicht beseitigt.

Der komplette Ausfall der gesellschaftlichen Infrastruktur musste im Privaten aufgefangen werden. Zumeist waren es die Mütter, die am meisten belastet waren. Mütter haben in der aktuellen Situation bis an den Rande ihrer Leistungsfähigkeit gleichzeitig Erwerbsarbeit, Erziehung, Betreuung, Beschulung und Pflege gestemmt. Alleinerziehende können sich diese Belastungen mit niemandem teilen. Auch Homeoffice wird für Mütter und Väter leicht zu einer Falle. Familien- und Berufsarbeit können nicht gleichzeitig ausgeführt werden. Es sind eigenständige Tätigkeiten, mit jeweils eigenem Zeitbedarf. Während der Corona-Krise verschärften sich diese längst bekannten strukturellen Probleme.

Familie als Karrierehindernis für Frauen
Die Betreuung von Kindern wird immer noch derzeit als eines der wesentlichen Karrierehindernisse für Frauen angesehen. Arbeit im Homeoffice bietet scheinbar bessere Möglichkeiten Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Das gilt insbesondere im Hinblick auf eine flexiblere Terminplanung, eine bessere Koordination von Familienpflichten und den Wegfall zum Teil langer Anfahrtswege. Das gilt für die Kinderbetreuung und auch für die Pflege von Angehörigen gleichermaßen.

Berufstätigkeit in der Lebensmitte
Die Weichen für Karriere von Männern und Frauen werden derzeit sehr häufig in den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit gestellt. Frauen fallen häufig nach wenigen Jahren aus anspruchsvollen Berufstätigkeiten heraus, weil sie nach wie vor häufiger Care-Arbeit übernehmen als Männer. Abendliche Netzwerktätigkeiten sind für Frauen mit Kindern in diesem Lebensabschnitt schwer durchführbar. Männer-Netzwerke in Sport und Freizeit leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für eine erfolgreiche berufliche Positionierung auf den Mütter dann verzichten, wenn sie allein die allabendliche Kindebetreuung alleine übernehmen.

Die Berufstätigkeit von Frauen mit Kindern in der Lebensmitte wird derzeit noch viel zu wenig beleuchtet. Die Arbeitswelt vor Corona ging auf die differenzierten Lebensvorstellungen von Frauen mit schulpflichtigen Kindern schon viel zu wenig ein. In der Krise zeige sich um so deutlicher, dass auch das Arbeiten im Homeoffice und eine Kinderbetreuung oder Pflegeaufgaben keinesfalls zeitgleich erfolgen können!

Herausforderungen lösen
Die bevorstehende Neuorganisation der Arbeitswelt sollte bestehende strukturelle Unterschiede stärker berücksichten und ausgleichen. Bei der Entwicklung neuer Lebensarbeitszeitmodelle für die Zeit nach Corona ist der Focus verstärkt auf Frauen mit Kindern in den „Rush-hours“ des Lebens zu legen. Das gilt auch für die Vorstellungen derjenigen Frauen, die eine in der tradierten Sicht weibliche Biographie leben wollen. Auch solche Vorstellungen müssen wahrgenommen, akzeptiert und unterstützt werden. Für die unterschiedlichen Lebensentwürfe sind Anreize zu schaffen um beim Neuaufbau nach Corona neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, die den mannigfachen Vorstellungen stärker als bisher entgegenkommen. Das Recht das für die Verwirklichung des eigenen Lebensentwurf Passende auszuwählen muss unangetastet bleiben.

Lebensfrohe junge Mutter

Mütter brauchen Entlastung um Herausforderungen zu meistern.

 

Bildnachweis

©Bild von Gerd Altmann auf Pixabay , clause-3213670_1920

© Bild von Denise Husted auf Pixabay, joy-2483926_1920

© bild von meloria design auf Pixabay, hydrangea-5076212_1920

Autor: Elisabeth Thesing-Bleck

Elisabeth Thesing-Bleck brachte berufspolitisch in der Apothekerkammer Nordrhein eine neue zukunftsweisende Weiterbildungsmöglichkeit für Apothekerinnen und Apotheker auf den Weg, die „Geriatrische Pharmazie“. Sie nahm sie selbst am ersten Weiterbildungszyklus in Deutschland teil und wurde so zur „Geriatrischen Pharmazeutin“. Danach gründete die Fachapothekerin ihr Unternehmen ConceptionApo. Als freiberuflich tätige Referentin hat sie sich auf Fortbildungen mit geriatrischem Schwerpunkt spezialisiert. Die Seniorenexpertin schult vorzugsweise Pharmazeutisches Apothekenpersonal.

Kommentare sind geschlossen.

ConceptionApo